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VORSCHAU: Der Jugendclub Extrem 1984 - 1994

Das Museum Schloss Doberlug widmet dem Jugendclub Extrem 40 Jahre nach seiner Gründung eine Ausstellung.

Datum:

07.10.2024

Ort:

Museum Schloss Doberlug

Ansprechperson Dr. Torsten Lehmann

Schlossplatz 1
03253 Doberlug-Kirchhain

035322 / 6888520
E-Mail schreiben

Ortschaft:

Doberlug-Kirchhain

Preis:

8,00 €
ermäßigt 6 €

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Lugau, ein Dorf zwischen Brandenburg und Sachsen, ist in den achtziger und frühen neunziger Jahren das Mekka für Independent-Musik in Ostdeutschland. Tausende pilgern jedes Jahr in die Niederlausitz, um sich der Punk- und New Wave-Musik hinzugeben. Dabei imitieren sie den Habitus und das Aussehen junger Menschen aus dem Westen und feiern den Tanz auf dem Vulkan.

Alle haben das Ziel, der Welt des real existierenden Sozialismus für ein paar Stunden zu entfliehen. Dass diese Revolution auf einem Dorf-Saal der Nachwelt erhalten geblieben ist, liegt vor allem an den Fotos von Frank Kiesewetter und Henri Manigk. Über dreitausend Mal drückt vor allem Kiesewetter auf den Auslöser seiner „Praktica“ und schafft damit einen wahren Schatz an historischem Bildmaterial, hauptsächlich in schwarz-weiß. In seinen Fotos prallen exotische Punks auf NVA-Soldaten in Uniform, junge Bauernburschen auf exaltierte Popper-Mädchen, Großstadt auf Provinz. Und dazwischen immer wieder Aufnahmen von Bands, Exzess und Pogo. Unwiederbringliche Momente aus einer Welt, die es bis zum Mauerfall offiziell gar nicht geben darf. Ein Planet, der sich um sich selbst dreht.

Auch nach der Wende geht das Clubleben unvermindert weiter. Jetzt strömen internationale Bands nach Lugau und in die Nachbardörfer, dessen Säle und Freilichtbühnen vom Jugendclub Extrem genutzt werden. Stille, karge Porträts von Simon Bonney (Crime & the City Solution) Paul Landers (Rammstein), oder Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) gehören genauso zu dieser Zeit wie die vormittägliche Verlassenheit der Lugauer Dorfaue, nachdem der Tross der Feierwütigen wieder abgezogen ist. Das Spannungsfeld zwischen wildem Partyleben und der Stille danach zeigen die Fotos auf sehr anschauliche Weise und erzählen damit Zeitgeschichte.

Welchen Stellenwert der Jugendclub „Extrem“ hatte, erfährt die breite Öffentlichkeit im Sommer 2019. Die Ausstrahlung der Dokumentation „Lugau City Lights“ auf arte zeigt überschäumende Popkultur, wo sie niemand vermutete: einem kleinen Dorf in der Niederlausitz. Weitere Anerkennung erfuhr der Film durch die Nominierung für den Deutschen Dokumentarfilmpreis 2020.

Mit einer umfangreichen Auswahl aus den Fotos von Frank Kiesewetter und Henri Manigk macht das Museum Schloss Doberlug den Jugendclub „Extrem“ vom 17. Mai bis 7. Oktober unmittelbar erlebbar.
Ergänzt werden die Fotos von Flyern, Plakatentwürfen und Texten, die grafisch und inhaltlich belegen, inwieweit sich unabhängige Jugendkultur schon sehr früh vom offiziellen DDR-Gestaltungseinerlei emanzipiert hat. Hinzu kommen sogenannte Ordnungsstrafverfahren gegen den Club und Berichte von Polizei und inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Mit dem ehemaligen Commoediensaal der Sachsen-Merseburger Herzöge im 2. Obergeschoss von Schloss Doberlug gibt es einen bisher nicht erschlossenen und sonst unzugänglichen Ort im Schloss, dessen Baustellencharakter den passenden Rahmen für das Lugauer Ausstellungsprojekt bietet. Barocke Festkultur, gebrochen durch den Rohbauzustand des Saals, trifft auf DDR-Subkultur: Hier verbinden sich völlig unterschiedliche Welten.

Die Ausstellung ist Teil der Kulturlandkampagne Brandenburg 2024, die unter dem Leitmotiv WELTEN VERBINDEN steht.

Parallel zur Ausstellung erscheint ein Fotobildband im Kettler Verlag. Das historische Material zu veröffentlichen, war die Idee von Clubgründer Alexander Kühne, der das Buch inhaltlich betreut. Er hat mit seinen beiden Romanen „Düsterbusch City Lights“ und „Kummer im Westen“, beide bei Heyne Hardcore erschienen, seine Erlebnisse in Lugau literarisch verarbeitet. Kühne interviewt für den Bildband prominente und weniger prominente Zeitzeugen, die in kurzen Statements zu den Fotos ihre Erlebnisse in Lugau schildern. Das Vorwort zum Buch stammt von Ärzte-Schlagzeuger Bela B, der mit seiner Band Depp Jones 1990 im Kohlenpott Doberlug-Kirchhain auftrat.